Lothar Götz
Volcano
Mar 31–May 20, 2023
Opening Friday 31 Mar 6-9pm
Die Arbeiten in der Ausstellung weisen zwei grundsätzliche Merkmale auf. Beim Betreten der Galerie wird man von einer Reihe intensiver, kleiner, abstrakter A4-Zeichnungen begrüßt, während sich über die Hauptwand im hinteren Ausstellungsraum ein einziges großes, 10 Meter langes Wandgemälde erstreckt, das eine Art Hintergrund bildet.
Diese kleinen Zeichnungen sind sowohl mit Farbstift als auch mit durchscheinenden Aquarellfarben gefertigt, wobei eine Vielzahl von farbigen Papieren als Untergrund dient. Die Arbeiten stammen aus mehreren Serien, an denen Götz gearbeitet hat. Sie reichen von den sich drehenden, spielerischen Formen von Rotation – Crimson, 2022, über die geradezu verträumten, sich verändernden Oberflächen von May, 2021, die Harlekin-Musterung von Celebration, 2022, die sich stimmungsvoll von dem grünen Grund abhebt, bis hin zu dem dynamischeren Nebeneinander von Form und Linie in seiner Serie Triadic Ballet, die sich auf das Werk von Oskar Schlemmer bezieht, wie beispielsweise Conversation with a Modernist Idea, 2021. Hier spiegelt sich der starke Einfluss der frühen Moderne und des Bauhauses in seinem Werk wider, sichtbar auch in anderen Zeichnungen, wie z. B. in Conversation with Sophie-Taeuber-Arp/3, 2021, die vom Werk der Schweizer Künstlerin inspiriert ist. Dieses Interesse an den Werken der Künstler*Innen der Moderne wurde während des Covid Lookdowns neu belebt, als Götz, der, wie wir alle, zu Hause festsaß und keine Ausstellungen besuchen konnte, in alten Büchern und Katalogen stöberte.
Eine auffallend dynamische Zeichnung mit einer eher zentrierten, aber dennoch gebrochenen Formenreihe – orangefarbenen Strahlen, die sich wie ein unheilvolles Glühen über den Horizont ausbreiten – stammt aus Götz’ jüngster Volcano-Serie, an der er dieses Jahr arbeitete. Volcano ist ebenfalls der Titel des Wandbildes, das wiederum der Ausstellung ihren Namen gibt. Es besteht aus stark farbigen, dreieckigen Formen, die von einem einzigen Punkt aus pulsieren, wie eine Freisetzung von abstrakter Energie. Das großformatige Werk nimmt die gesamte Länge der Rückwand der Galerie ein und wirkt wie ein dynamisches ungegenständliches Panorama. Es besteht aus lebhaften, dreieckigen Formen, die von einem einzigen Punkt am oberen Rand der Wand ausgehen, als ob sie imaginäre Energie freisetzen würden. “Ich liebe Berge.“, sagt Götz, “Sie werden oft als Metapher für das Erhabene verwendet, aber wenn ein Berg ein Vulkan ist, ist er das Gegenteil: buchstäblich höllisch. Das finde ich faszinierend.”
Die Wahl des Titels “Volcano” geht unter anderem auf den gleichnamigen Roman von Klaus Mann zurück, den Götz erst kürzlich wieder gelesen hat. Das Buch verwendet den Vulkan als Metapher für die explosive Wirkung der Machtübernahme der Nazis in Deutschland – und ihre Folgen. Dazu gehörte die Emigration vieler Intellektueller und Künstler*Innen der Moderne – vor allem aus dem Bauhaus. Schlemmer ging in Deutschland ins innere Exil und schuf seine letzten Werke Fensterbilder 1942 in einer physischen Situation, die einer Abriegelung gleichkam, da er die meiste Zeit drinnen verbrachte und nach draußen blickte.
Die Hauptfiguren seines Buches entstammen diesem Milieu emigrierter Künstler*Innen und Schriftsteller*Innen, zu denen Mann selbst gehörte (er verließ Deutschland 1933 in Richtung Paris und emigrierte später in die USA). “Ich mag die menschlichen und persönlichen Geschichten der Figuren in diesem Buch”, bemerkt Götz. “Es geht um Menschen, die nie den Mut haben, Helden zu sein, sondern die sich wehren, indem sie weggehen. Auch wenn sie mit der Auswanderung letztlich scheitern, war die Entscheidung zur Auswanderung an sich schon ein kleiner Akt des Heldentums, des Widerstands.”
Götz fühlte sich dem Autor und den Themen des Romans stets persönlich verbunden. “Das Buch hat mich sehr beeindruckt, als ich es als junger Student zum ersten Mal las – in Bezug auf die Geschichte des Nationalsozialismus, die Ideen der Emigration und auch wegen der schwulen Perspektive des Autors. Das Buch war eine Offenbarung. Und als schwuler Mann und Künstler, der von der frühen Moderne beeinflusst ist, fühle ich mich Klaus Mann sehr nahe.”
Anklänge an die 1930er Jahre in der oft extremen politischen Positionierung von heute – angefacht durch die sozialen Medien, die keine nuancierte Meinung in Grauzonen zulassen – haben dazu geführt, dass ein Großteil der zeitgenössischen Kunst zunehmend politisiert wird. Aber das ist etwas, dem Götz in seiner eigenen Arbeit widerstehen will.
“Ich sehe die Abstraktion sowohl damals als auch heute als Widerstand gegen das Politische. Sie ist nicht heroisch, aber sie ist immer noch die Zurückhaltung des persönlichen Willens: die Entscheidung, Macht nicht zu illustrieren. In der Abstraktion steckt ein gewisser Aktivismus”.
In diesem Sinne kann jede Zeichnung mit ihrer unterschiedlichen Empfindsamkeit – von introvertiert und mystisch bis hin zu lebhaft extrovertiert und spielerisch – fast wie eine Figur in einem Buch gelesen werden, vielleicht als ein kleiner fortlaufender Akt des Widerstands an sich.
The work in this show exhibits two contrasting scales. On entering, you are greeted by a series of intense, small, abstract A4 drawings displayed through the gallery spaces, while beyond these, stretching like a backdrop in the rear gallery, is a single large 10m long wall painting.
The small drawings are worked up in both colour pencil and more translucent watercolour washes, using a variety of toned papers, which give the works differing blue, cream, black and green grounds. The works are selected from several series that Götz has been working on. They range from the spinning, ludic shapes of Rotation – Crimson (2022), to the more dreamy, shifting surfaces of May (2021), the harlequin patterning of Celebration (2022) and the more dynamic juxtaposition of form and line in his Triadic Ballet series, which references the work of Oskar Schlemmer, such as Conversation with a Modernist Idea (2021). The latter reflects the strong influence of early modernism and the Bauhaus in his work, seen here also in other drawings , including Conversation with Sophie-Taeuber-Arp/3 inspired by the work of the Swiss artist. In addition, a striking drawing with a more centred yet fractured series of forms, comes from Götz’ recent Volcano series. In all the works seem to strike different tones and moods across the gallery spaces, from the playful to the almost mystic.
Volcano is also the title of the wall painting which gives the show as a whole its name. This is formed of vividly coloured, triangular forms, pulsing out from a single point, like a release of abstract energy. This large work occupies the full length of the rear wall of the gallery, appearing like a dynamic abstract panorama. ‘I love mountains’, says Götz, ‘They are often used as a metaphor for the sublime, but when a mountain is a volcano, it’s the opposite: literally hellish. I find that fascinating.’
The choice of the show’s title comes in part from Götz’s recent rereading of Klaus Mann’s novel of the same name. The book uses the volcano as a metaphor for the explosive effect of the Nazis taking power in Germany – and its consequences. These included the emigration of many intellectuals and modernist artists from the country ¬– in particular from the Bauhaus (in Schlemmer’s case he went into internal exile in Germany). It was from this milieu of émigrés that Mann drew the main characters of the book. ’I like the smallish human and personal stories of the book’s characters,’ observes Götz. ‘It’s about people who never have the guts to be a hero, but who stand up by leaving. Although they ultimately make a failure of emigration, the decision to emigrate was in itself a small act of heroism, of resistance.’
He says he has always felt a personal connection to the writer and the themes contained in the novel. ‘It made quite an impression on me when I first read it as a young student – in relationship to Nazi history, to ideas of emigration and also due to the gay perspective of the writer. The book was a revelation. And as a gay man and an artist who is influenced by early modernism, I feel very close to Mann.’
He also sees parallels to the 1930s in the extremes of political posturing today, fanned by social media. This resulting opportunism and jumping-on-political-bandwagons of many – not least in the art world – which allow for no grey areas of opinion or nuanced disagreement, is something he sees as deeply worrying and which he looks to resist in his art.
‘I see abstraction both then and now as a resistance to the political – not heroic but still the withholding of one’s personal will: choosing not to illustrate power. There’s a certain activism in abstraction.’
In such a vein, each drawing here, almost like a character with its own personal, portable story, can perhaps be read as a small ongoing act of resistance in itself.